So etwas gibt es nur in unserer Vorschule für hochbegabte Kinder – oder: Wie unsere Projekte entstehen:

„Der Mount Everest ist nicht der höchste Berg, da gibt es noch einen viel höheren!“

Vollkommen harmlos frage ich bei unserer gemeinsamen Jause am Vorschulmittwoch, ob jemand den höchsten Berg der Erde kennt, nicht ahnend, was für eine anregende Diskussion ich damit auslöse. Markus: „Ja, das ist der Mount Everest mit 8.848m!“
Patrick: „Nein, der Olympus Mons ist viel höher, der ist 22km hoch!“
Ich denke mir: „Okay, von dem habe ich noch nie etwas gehört, aber wenn er es so sicher behauptet?“
Noch bevor ich etwas dazu sagen kann, schaltet sich Iris ein: „Der Mount Everest ist nicht der höchste Berg, da gibt es noch einen viel höheren!“
Markus wiederholt seine Behauptung, dass der Mount Everest der höchste Berg ist, und schon gibt es eine fröhliche, intensive Diskussion. Beim dritten Mal endlich, erwähnt Patrick, dass der Olympus Mons auf dem Mars ist. Ich denke mir: „Nun, somit wäre das zumindest mal geklärt.“ Aber Iris beharrt noch auf ihren Berg, dessen Namen wir alle noch nicht kennen.

Selbstverständlich hat der Sechsjährige die 30km für seine Bemerkung schnell mal in Meter umgerechnet.

Schließlich erklärt Markus, dass der zweite Berg, den Iris nennt, nicht so hoch rauf ragt, sondern großteils unter Wasser ist. Alle sind sich einig, dass es sich dabei um einen Vulkan handelt. Nachdem nur ich noch unwissend zu sein scheine, schlage ich vor, was ich immer in solchen Fällen tue: Ich google! Aha, es handelt sich also um Mauna Kea. Dieser ist 10.203 m hoch, allerdings sind ca. 6000 m davon unter Wasser. Nachdem meine Interessensbereiche eindeutig nicht bei Erdkunde liegen, ist dies bisher tatsächlich vollkommen an mir vorbeigegangen. Beim Googeln habe ich aber noch etwas anderes gefunden. Das Tamu-Massiv ragt dreieinhalb Kilometer vom Meeresgrund in die Höhe und erstreckt sich über eine Fläche von etwa 310.000 Quadratkilometern. Ebenfalls steht auf der besuchten Website, dass es laut Forschern bis zu 30 km hoch sein könnte.

Sofort schaltet sich jetzt auch Lars ein. „Das kann nicht sein! Das Meer ist an seiner tiefsten Stelle doch nur 11.000 Meter tief!“ Selbstverständlich hat der Sechsjährige die 30km für seine Bemerkung schnell mal in Meter umgerechnet. Tja, da hilft alles nichts, jetzt müssen wir ins Detail gehen: Forscher meinen, dass der Vulkan in die Erdkruste eingesunken ist. Endlich kann auch mal ich mit meinem Wissen punkten. Den Begriff Erdkruste kannten alle noch nicht. Puh.

Die Kinder müssen in den Garten – Kopf auslüften.

Stifte und Blatt Papier geholt und schnell eine Skizze gemacht. Den Laptop wieder zu Hilfe geholt und ein kurzes Wissensvideo gegoogelt. Lernen ist heute echt viel einfacher! Schließlich halte ich inne. Mir fällt ein, dass es viel schöner wäre, das Video in Ruhe am Fernseher im Wohnzimmer anzusehen. Acht neugierige und interessierte Kindergesichter blicken mir entgegen.

„Was haltet ihr davon, wollen wir ein Planeten-Projekt machen? Wer hat Lust?“ Alle, tatsächlich alle, zeigen auf. Klasse! Jetzt schicke ich die Kinder erstmal mit Stefan, meinem Mann, in den Garten, Bewegung machen und Kopf auslüften. Das gibt mir genügend Zeit unseren restlichen Tagesablauf neu zu planen und die Videos als Grundlage für unser Projekt vorzubereiten.

Ich entscheide mich für „Aufbau der Erde“ von Studyflix (unendgeldliche Werbung). Das dauert nur 2,53 Minuten. Genau richtig für meine Vorschulkinder. Beim raschen Durchschauen erscheint es mit ein wenig fad und sehr faktenorientiert, halt nicht genau für diese Zielgruppe gemacht aber auf die Schnelle finde ich nichts Besseres. Um es aufzulockern, halte ich es in dem Moment an, als sie davon berichten, dass der innere Erdkern 3.000-5.000°C Grad heiß ist.

Ich frage in die Runde: „Weiß denn jemand, wie heiß es bei uns ist, wenn es so richtig warm ist?“ Sofort entbrennt wieder eine hitzige Diskussion: „70 Grad“, meint Iris. Ich zögere. „Nein!“, ruft Patrick, „30 bis 34 Grad!“. Hier hake ich ein: „Ja, wenn es bei uns im Sommer warm ist, hat es so ungefähr 30-34 Grad.“ „70 Grad“, wiederholt Iris energisch noch einmal ihre Temperaturschätzung. Das erscheint mir doch zu heiß. Ich sage ihnen: „Ich denke 50 Grad sind es vielleicht in der Wüste.“ Iris akzeptiert, oder kommt nicht mehr dazu, mir zu widersprechen. Schon entbrennt nämlich eine Diskussion darüber, was die kältesten Temperaturen auf der Erde sind. (Gerade habe ich übrigens gegoogelt und ja, es waren einmal 70,7 Grad im Wüstenplateau Dasht-e Loot im Iran – entschuldige bitte Iris!) „Es gibt 50 Grad Minus und das kommt aus Russland!“ Patrick ruft: „-89,2°C waren es in der Antarktis!“ Ich schaue erstaunt. Stefan nickt. Gut, dass ich ihn dabei habe.

Endlich komme ich dazu, meine eigentliche Frage zu stellen: „Glaubt ihr, ist 3.000-5.000 Grad viel wärmer oder nur wenig wärmer?“ Einheitlich kommt ein „Viel wärmer!“ zurück. Ich denke mir: „Also gut.“

Als wir schließlich zum Aufbau der Erde kommen, stoppe ich noch einmal kurz, damit wir uns ein paar Eselsbrücken bilden können. Woher kennt ihr Kruste? Woher Mantel, welche Kerne kennt ihr… Dieses Mal war die Beteiligung relativ zurückhaltend. Es kommen nur ein paar Beispiele. Und weiter geht es im Film.

Als nächstes wünschen sich die Kinder noch einen Film über das Sonnensystem, schließlich soll es in unserem gemeinsamen Projekt darum gehen.

Jedenfalls beginnt er schon recht unruhig darauf zu bestehen, dass es Gesteins- und Gasplaneten gibt. „Warum sagen die denn das nicht?“

Als der Merksatz Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unseren Nachthimmel genannt wird, frage ich die Kinder noch einmal, für welchen Planeten welches Wort steht. Alle johlen einheitlich mit. „Mein“ – „Merkur!“, „Vater“ – „Venus!“, „erklärt“ – „Erde!“, „mir“ – „Mars!“, „jeden“ – „Jupiter!“, „Sonntag“ – „Saturn!“, „unseren“ – „Uranus!“, „Nachthimmel“ – „Neptun!“ Das scheinen also jetzt tatsächlich alle bereits zu kennen.

Es wirkt so, als hätten wir jetzt Patricks Spezialinteresse getroffen. Jedenfalls beginnt er schon recht unruhig darauf zu bestehen, dass es Gesteins- und Gasplaneten gibt. „Warum sagen die denn das nicht?“ Ich kann ihn kaum vertrösten, aber endlich kommt auch diese Unterteilung und seine Anspannung löst sich wieder.

Ich liebe die Aussprache von Sechsjährigen bei Wörtern, die ich nicht kenne. Das wird ein Spaß, wenn ich das googeln muss.

Iris zeigt plötzlich auf. Ich stoppe den Film. „Der Jupiter ist umgekippt und weggerollt.“ Was, wie? Im Film, in echt? Habe ich was verpasst? Wo weggerollt? Gibt’s den jetzt nicht mehr in unserem Sonnensystem? In meinem Kopf rasen die Gedanken. „Im Planetarium?“, höre ich mich verzweifelt sagen. Keiner hört mich, nur allgemeine Bestätigung: „Ja stimmt, der ist weggerollt.“ Beim dritten Anlauf werde ich endlich gehört. Ja, das ist wohl im Planetarium passiert. Puh. Unser Sonnensystem ist also noch komplett. Als schließlich weitere Himmelskörper unseres Sonnensystems, wie Asteroiden, Meteoroiden und Kometen genannt werden, zeigt Iris diesmal nicht auf, sondern redet empört direkt rein. Ich stoppe also den Film wieder. „Warum zeigen die denn den Quipagürtel nicht?“ Was, wen? Noch nie gehört. „Ja, der Varpagürtel fehlt“, sagt Patrick, wieder ganz unruhig. Ich liebe die Aussprache von Sechsjährigen bei Wörtern, die ich nicht kenne. Das wird ein Spaß, wenn ich das googeln muss. Ich vertröste die Kinder damit, dass der Film ja noch nicht vorbei ist. Und voila, tatsächlich der Kuipergürtel, ein Kometengürtel hinter dem Neptun, wird genannt. Da habe ich noch einmal Glück gehabt.

Bei der Hälfte hängt der Kopf nach unten und die Beine sind oben beim Fernsehen. Tja, es sind eben doch noch sehr junge Kinder.

Studyflix – nicht blöd – bringt natürlich gleich die Ankündigung zum nächsten Video. Die Milchstraße. „Ich will das mit der Galaxie wissen“, betont Iris mit Nachdruck. „Nein das langt“, versuche ich meine Erwachsenen-Verantwortung zu übernehmen. Tja, da habe ich die Rechnung ohne meinen Mann gemacht, der noch nicht ganz so viel Erfahrung mit den kleinen Wissensmonsterchen gemacht hat wie ich. „Wenn sie aber doch so interessiert sind“, sagt er. Okay, also noch ein 4 Minuten Video hinterhergeschoben. Jetzt sind unsere kleinen Mäuse aber schon sehr unruhig. Bei der Hälfte hängt der Kopf nach unten und die Beine sind oben beim Fernsehen. Tja, es sind eben doch noch sehr junge Kinder.

Nach diesem intensiven Wissensausflug wird für heute noch ein Teil des ursprünglich geplanten Programms gemacht. Wir basteln eine sich selbst öffnende Papierblume. Es tut gut, nach hochkognitiven Einheiten wieder ins haptische und ganz praktische Tun zu kommen. Außerdem müssen in der Volksschule ja auch alle (schön) schreiben lernen. Da kommt jede Möglichkeit die Grafomotorik kreativ zu schulen gerade recht.

Nächste Woche werden wir die Planeten mit Pappmaché basteln und bemalen. Ich freu mich schon darauf!

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