Geschichten wie die von Manuel, Emily oder Thomas zeigen, dass im Umgang mit hochbegabten Kindern viele Fehler gemacht werden. Mit der Geschichte von Mathematik-Genie Maximilian Janisch zeigt Begabungsexpertin Katja Higatzberger, dass so ein Kinderleben aber auch ganz anders aussehen kann.

Zugegeben, auch ich bin verblüfft, wenn ich diesen jungen Mann, beobachte. Mathematik-Genie Maximilian Janisch | Aus der Welt eines Hochbegabten | Reportage | SRF DOK – Bing video Es ist kaum vorstellbar, dass diese Leistungen normal sein sollen. Doch wenn ich genauer darüber nachdenke, so sind auch in meinen Kursen einige Ausnahmetalente. Doch leider erhalten diese zu ca. 80 % keine Differenzierung in der Schule und haben auch nicht wie Maximilian einen Vater, der ihn täglich für eine Stunde intensiv fördert und ihm Neues beibringt. Da ist ein Termin „Mathe extrem“ so wichtig und schön dieser auch ist, doch eher ein Tropfen auf den heißen Stein.

Marco: Unausgeglichen? Mit 12 auf der Uni!
Dass es auch bei uns gelingen kann, beweist mir Marco jedes Jahr aufs Neue. Marco kam über seine Leidenschaft zu Lego Mindstorms zu uns. Vor dem ersten Kursbesuch erreichte mich die Nachricht seiner Mutter, dass er manchmal unausgeglichen sein könnte, wenn er nicht bekommt, was er braucht und sie daher gerne in der Nähe bleiben würde. Ich stimmte dem gerne zu. Der Junge im Kurs glich ganz und gar nicht dem Jungen, den sie beschrieben hatte. Marco war zuvorkommend, spielte alle unsere Gruppenspiele mit Begeisterung mit und half gleich drei Gruppen beim Verstehen der Aufgaben. Erst am zweiten Tag kam unser Spezialist dazu, der ihm dann seine Fragen beantworten konnte. Beim Vertiefungskurs hatte er aus seinem Lego Mindstorms mit vielen, vielen Erweiterungen, die er besaß, einen Drucker gebaut und brachte meinen Sohn Johannes, der damals die 4. Oberstufe der HTL besuchte, mit seinem Wunsch, diesen zu programmieren, ganz schön ins Schwitzen.

Ich lud auch Marco zu uns zu „Mathe extrem“ ein. In den Jausen-Pausen scherzte er mit den jüngeren Kindern um die Wette. Während der Arbeitszeiten brachte er meine Tochter Marie, die damals Mathematik studierte und mit den Älteren leichte Uni-Aufgaben bearbeitete, an ihre Grenzen. Beinahe jede sorgfältig vorbereitet Einheit „zerstörte“ er innerhalb weniger Minuten mit dem Hinweis, das Ergebnis bereits zu kennen.

Also schlug ich dem damals Zwölfjährigen einen Besuch der Universität mit dem Programm „Schüler*innen an die Hochschule“ vor. In meinem Kopf sollte er mit Beginn der vierten Klasse starten, er wäre dann 14 Jahre alt gewesen. Einmal ausgesprochen gab es allerdings kein Zurück mehr. Marco wollte sofort beginnen! Alle Beteiligten hatten ein bisschen Bauchweh, ob er das tatsächlich schaffen könnte, also begleiteten wir ihn mit Coaching Gesprächen, um ein mögliches „Scheitern“ zu entschärfen. Nebenbei bereiteten wir in Windeseile alles für seinen Uni-Start vor. Marie brachte ihm in den vier verbleibenden Monaten den Stoff der Oberstufe, den er als Grundlage für das Studium benötigte, bei. Erst da erahnten wir sein volles Potential. Auch Professor Krön, der damals das Programm „wir studieren“ begleitete, war skeptisch, zeigte sich aber offen. So konnte Marco mit Beginn der dritten Klasse Unterstufe sein Studium starten.

Seitdem erreicht mich jedes Semester ein E-Mail von Marco, in dem steht, wie es ihm geht. Er studiert nun schon das dritte Jahr und hat jedes Semester eine Vorlesungsprüfung und eine Übung mit den Noten 1 oder 2 absolviert. In diesem Jahr ist er auch schon gut in der Oberstufe einer HTL angekommen, wo er Informatik gewählt hat.

Marcos Geschichte ist das beste Beispiel dafür, was Zusammenarbeit bewirken kann. Seine Eltern, die seine Bedürfnisse immer ernst nahmen und sich für seine zusätzliche Förderung einsetzten, legten, gemeinsam mit der Schule, die bereit war, den „Extraschritt“ zu gehen, um Marco bestmöglich zu fördern, den Grundstein für seinen Erfolg an der Uni. Das Programm „wir studieren“ und die Bereitschaft von Professor Krön, Marco auch in so jungem Alter in die Gruppe aufzunehmen, machten es ihm schließlich möglich, sein volles Potenzial zu entfalten. Für viele hochbegabte Kinder spielen diese Faktoren nicht so günstig zusammen. Wer weiß, was alles möglich wäre, wenn auch diese Kinder eine solche Unterstützung erfahren würden…

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